Schmerzen – eine Entscheidung deines Gehirns

schmerzentstehung schmerzreduktion stressreduktion Sep 15, 2019

Schmerzen sind unangenehme, aber normale menschliche Erfahrungen. In erster Linie sind Schmerzen ein Schutzmechanismus unseres Zentralen Nervensystems (ZNS), um uns vor möglichen Gefahren zu schützen. Doch warum ist das so?

Das ZNS besteht aus dem Rückenmark und dem Gehirn – seine Hauptaufgabe ist die unmittelbare Sicherung des Überlebens bzw. der körperlichen Unversehrtheit. Um dieser Aufgabe gerecht zu werden und Gefahren vorherzusehen, analysiert und wertet das ZNS 24/7 Informationen aus unserer Um- und Innenwelt aus. Wenn das ZNS gewisse Informationen als potentielle Gefahr einstuft, erzeugt es u.a. Schmerzen, da es leider auf keine andere Weise mit uns kommunizieren kann.

Schmerzen sind also als Ergebnis oder als Output zu betrachten – sie entstehen erst dann, wenn das Gehirn nach Aufnahme und Interpretation von Informationen entschieden hat, Schmerzsignale auszusenden, um den Körper vor einer potentiellen Gefahr zu schützen.

Aber von welchen „Informationen“ reden wir überhaupt?

Wir stellen uns das Gehirn als Geschäftsführer unseres Körpers vor – wie in jedem Unternehmen erhält dieser aus allen Abteilungen verschiedene Informationen, um das Unternehmen – in unserem Fall den Körper – sicher und erfolgreich zu führen. Im Falle unseres Körpers bestehen die Informationen aus verschiedenstem sensorischen Input – neben den in der Abbildung genannten Bereichen oder „Abteilungen“ des Körpers, werden sensorische Informationen auch von Organen (mitunter Gleichgewichtsorgan, Lunge, Augen, Haut etc.), von Gelenken, Faszien, Knochen – kurz: von jeglichen Bereichen des Körpers durch das periphere Nervensystem zuerst ins Rückenmark und von da aus direkt an das Gehirn weitergeleitet.

Nehmen wir das Beispiel Knieschmerzen: aus dem Bereich des Knies gelangen non-stop Lageinformationen zum Gehirn – was machen die Bänder, der Knorpel, die Muskulatur, die Haut, die Durchblutung, die Gelenkstellung etc. Dort werden diese Informationen analysiert und ausgewertet und eine Entscheidung darüber getroffen, ob die aktuelle Situation des Knies potentiell gefährlich ist. Wenn sie als gefährlich eingestuft wird – und nur dann – lässt uns unser Gehirn dies als Schmerz wahrnehmen.

Wenn Schmerzen auftreten, hängt deren Intensität also nicht vom strukturellen Schaden ab – also der Stärke einer Verletzung. Der verletzte Bereich sendet lediglich Gefahreninformationen an das ZNS, welches dann eine Bewertung und Entscheidung vornimmt. Der Dorn eines Seeigels im Fuß kann höllisch weh tun, obwohl der tatsächliche Schaden gering ist – ein tiefer Schnitt oder ein Bruch hingegen kann zu Beginn schmerzfrei sein, obwohl eine gravierende Schädigung entstanden ist.

Schmerzen treten häufig sogar dann auf, wenn keinerlei Verletzung oder akute Gefahr besteht. Ein klassisches Beispiel sind unspezifische Rückenschmerzen – obwohl keine Verletzung vorliegt, schmerzt der Rücken bspw. nach langem Sitzen, denn: auch ein Mangel an Information aus einem Bereich des Körpers stellt potentielle Gefahr dar, weil die Gesamtsituation vom ZNS nicht eindeutig bewertet werden kann. Fehlen bspw. Bewegungsinformationen aus dem Rückenbereich, kann unser ZNS dies als Gefahr bewerten und uns als Aufforderungssignal Schmerzen wahrnehmen lassen, damit wir unsere aktuelle Situation verändern. Werden die fehlenden Informationen – in diesem Beispiel durch Bewegung – wieder generiert, trifft unser ZNS eine andere schmerzfreie Entscheidung. Gleiches kann auch für bereits ausgeheilte Verletzungen gelten, die nicht ausreichend rehabilitiert worden sind!

Grundsätzlich gilt: je geringer das allgemeine Gefahrenlevel des ZNS, desto geringer die Wahrscheinlichkeit für Schmerzen. Informationsdefizite und ein zu hohes Gefahrenlevel sind einer der häufigsten Gründe für jegliche Form unspezifischer Schmerzen, die jedoch oftmals relativ unkompliziert behoben werden können. Mit chronischen Schmerzen leben hingegen ist keine Option.

Quellen:

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Cobb, W. E. (2016): Certification Workbook – Z-Health T-Phase 6.0.
Garland, E. (2013): Pain Processing in the Human Nervous System: A Selective Review of Nociceptive and Biobehavioral Pathways. Zugriff am 19.09.2018 unter: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3438523/.
Louw, A. (2013): Why do I hurt? Neuroscience education for patients in pain. Minneapolis: OPTP.
Melzack, R. (2001): Pain and the neuromatrix in the brain. Zugriff am 19.09.2018 unter: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/11780656.
Z-Health Performance: Explaining Pain: The Neuroscience of Pain-Free Training. Zugriff am 19.09.2018 unter: http://www.zhealth.net/articles/explaining-pain.