Tiefer beugen ohne Dehnen? Wie das Nervensystem Bewegung freigibt
Aug 25, 2025Im Rahmen unseres letzten Grundlagen-Seminars hatten wir die Gelegenheit, mit einer besonders spannenden Teilnehmerin zu arbeiten: Annalena, Kaderathletin im Ji Jitsu, Sportsoldatin und ausgebildete Physiotherapeutin. Trotz ihrer hohen körperlichen Leistungsfähigkeit hatte sie seit Langem Schwierigkeiten, tiefer als 90 Grad in die Kniebeuge zu kommen – ein Problem, das viele Sportler:innen kennen.
Bei der ersten Analyse im Seminar zeigte sich deutlich: Ihre Kniebeuge endete deutlich über 90 Grad, was auf eine eingeschränkte Beweglichkeit oder funktionelle Schutzmechanismen des Nervensystems hindeuten konnte. Für das Assessment haben wir zusätzlich den Romberg-Einbeinstand eingesetzt, um das Gleichgewicht und die neuromuskuläre Kontrolle zu prüfen.
Annalena selbst berichtete von einer älteren Knieverletzung, die möglicherweise noch unzureichend verarbeitet war. Und genau hier haben wir angesetzt. In einem ersten Schritt haben wir uns den Bereich rund um die alte Operationsnarbe am Knie vorgenommen. Narbengewebe kann auf Rezeptorebene (z. B. durch mechanische, thermische oder sensorische Reize) das Nervensystem dysfunktional beeinflussen – was wiederum die Bewegungskontrolle negativ beeinflusst. Durch gezielte manuelle Narbenbehandlung konnten wir den sensorischen Input verbessern – und die Wirkung war unmittelbar sichtbar: Die Kniebeuge wurde sofort tiefer und stabiler.
Im Anschluss haben wir die Bewegungskontrolle des Knies gezielt trainiert. Ergänzend dazu setzten wir den sogenannten Infinity Walk ein – eine komplexe Gleichgewichtsübung, die gleichzeitig visuelle, vestibuläre und propriozeptive Systeme anspricht. Auch hier zeigte sich: Das Nervensystem reagiert sensibel auf gut gewählten Input. Das Ergebnis: eine messbare Verbesserung der Kniebeuge um ca. 10 cm, ganz ohne klassisches Mobility-Training – und das in einer einzigen Sitzung.
Warum eine Bewegung wie die Kniebeuge eingeschränkt ist, kann viele Gründe haben – strukturelle, neurologische, sensorische oder emotionale. In Annalenas Fall war es wohl eine Kombination aus alter Verletzung, veränderter Rezeptoraktivität und eingeschränkter Gleichgewichtsverarbeitung. Der Schlüssel war, dem Nervensystem gezielt neuen, sinnvollen Input zu geben – mit erstaunlichem Effekt und ohne großen Aufwand.
Neugierig geworden? Wenn du selbst erleben möchtest, wie viel Einfluss gezielte Rezeptorarbeit und sensomotorisches Training auf deine Bewegungen haben können, dann bist du herzlich eingeladen zu unserem nächsten Grundlagen-Seminar. Dort kannst du diese und weitere Techniken am eigenen Körper erfahren – und mitnehmen für deine Praxis oder dein eigenes Training.
Viel Erfolg beim Training!
Yassin & Team